Original oder Fälschung
Mai 2015

Der Wald und der Kunstmarkt oder Original und Fälschung

Im Mai überschlagen sich die Kunstweltereignisse und wenn man nicht überall dabei sein kann, frisst man sich wenigstens durch die Fachpresse. Die Berichterstattungen über die Biennale beinhalten mittlerweile immer auch die Erwähnung der Dichte der Designerhandtaschen. Das „Kapital“ wird verlesen wie die Bibel und man fragt sich, ob die wohl alle in ihren Täschchen Marx im Kleinformat mit sich führen.

„Les Femmes d‘ Alger“ von Picasso wird für ca. 180 Millionen USD versteigert, der Preis wird verglichen mit vorherigen Picasso-Ergebnissen, die prozentuale Steigerung berechnet etc. Über das Bild selbst liest man nichts, gerade der Matisse-Bezug wird manchmal erwähnt.
In dem Online-Portal Kunstgeschichte.info lese ich einen Bericht über ein Experiment. In der Dulwich Picture Gallery in London wird in der Sammlungspräsentation ein Werk eines alten Meisters ersetzt durch eine zeitgenössische Kopie aus China. 3000 Besucher geben ihren Tipp ab, bei welcher Arbeit es sich um eine Fälschung handelt. Ganze 10% liegen richtig. Initiiert hat das Projekt der Konzeptkünstler Doug Fishbone. Was machen wir mit solch einem Ergebnis? Das Museum der Zukunft zeigt nur noch Kopien, merkt eh keiner. Die Originale wandern in die Hände der Superreichen, die sie in Tresore packen. Doch dann ist irgendwann auch keiner mehr scharf auf die Originale und der Picasso ist nur noch 1800 USD wert? Oder der IS kloppt auch diese Kulturgüter kaputt?
Man könnte zum Eremiten werden, wenn man all das Gelesene für die Weisheit letzter Schluss nehmen würde. Vielleicht so ein Einsiedler wie Herman de Vries, der immerhin den Pavillon der Niederlande auf der Berlinale gestaltet ? Der Erdproben aus aller Welt sammelt, Tierknochen, Rosenblüten, sie isoliert und neu arrangiert, um das Sehen neu zu lehren. Er braucht nur seinen Wald, um seine Kunst zu machen. „Ich denke also bin ich“ liegt ihm nicht, für ihn gilt das Credo: „Ich bin schon, wenn ich fühle“ (ART Mai 2015, Seite 60)
Ich fühle Frustration über unseren aufgeblasenen Kunstmarkt doch ich spüre auch, dass es noch genügend Künstler gibt, die ihren Weg gehen, ihren eigenen Irrsinn verfolgen, die die Wahrheit suchen: im Wald oder im Atelier.