Beltracchi
März 2014

Nachdem sich vor drei Jahren die Presse im Beltracchi-Skandal überschlug, sorgt der in diesem Jahr angelaufene Film „Beltracchi – Die Kunst der Fälschung“ kaum noch für Furore. Der von Arne Birkenstock, Sohn des Strafverteidigers von Beltracchi, gedrehte Film verzichtet bewusst auf einen moralischen Blickwinkel und versucht einen sogenannten neutralen Weg jenseits einer Verurteilung des Protagonisten.

Als ich ihn am Wochenende sehe, vergeht mir die Neutralität jedoch nach den ersten Minuten, mir wird speiübel von diesem selbstgefälligen Typen. Ich frage mich, ob demnächst Dokumentarfilme über Mörder, Vergewaltiger gedreht werden, in denen diese sich selbst darstellen dürfen. Wie wäre es mit einem Sexualstraftäter, der zeigen darf, wie er sein Opfer aussucht und seine Tat plant? Aber auch das gibt es ja in unserer Medienwelt, die alles nach außen preisgibt und begeifert. Ich frage mich, wie kann man jemandem, der verurteilt ist und seine Strafe im offenen Vollzug verbüßt, noch so eine Gelegenheit geben, sich zu beweihräuchern? Mir verschlägt es die Sprache, lachen bei vielen der großkotzigen Aussagen und Antworten wie viele andere im Publikum kann ich auch nicht. Es ist einfach nur widerlich. Mühelos könne er auch Rembrandt und Michelangelo fälschen, das sei überhaupt kein Problem lässt er verlautbaren. Er kann alles, nur nicht zweifeln. Und das gerade gehört zur Kunst der Zweifel, der Kampf mit sich selbst.
Aber vielleicht trifft er damit einen Zeitnerv, dass diese Auffassung von Kunst nicht mehr angesagt ist und als altmodisch in die Ecke gedrängt wird. Es gab ja viele, die ihm gefolgt sind, die das Ganze erst ermöglicht haben. Ruhmsucht und Geldgier haben sie alle vereint, es sind die, die sich mit Inhalten gar nicht beschäftigen wollen. Mit ausgefeilter Technik ein Bild genau planen, das Malen als leidenschaftsloses Ausführen, das gibt es ja durchaus auch unter Nichtfälschern. Aber auch wenn bei ihnen ein Assistent der Ausführende ist, haben sie am Anfang wenigstens noch eine Idee. Beltracchi bildet sich ein, die ganze Kunstwelt in Frage gestellt zu haben. Was ist ein echtes Bild wert, mehr wert, wenn es sowieso keiner merkt, dass es falsch ist. Die Schweizer Sammlerin, die das Campendonk-Bild von ihrem Mann geschenkt bekam, hängte es an einen exponierten Platz im Wohnzimmer. Hätte sie die Fälschung behalten, hätte sie es wie ein „objet“ in eine Ecke zu ihren Familienfotos gehängt. Das ist tatsächlich absurd und genau diese Absurdität schlachtet Beltracchi mit enormer krimineller Energie aus. Er negiert den gesamten idealistischen Gehalt von Kunst und macht sich darüber lächerlich. So ist er für mich nicht nur ein Kunstfälscher sondern auch ein Menschenverächter. Er nimmt die Autoren der Bilder überhaupt nicht ernst, kaltschnäuzig studiert er die Werkverzeichnisse, ohne sich in geringster Weise auf ihre Hinter- und Beweggründe einzulassen. Sie malen halt nur, und das kann er auch.
Nur eine Schweizer Galeristin, die den Stein für eine genauere Untersuchung des Campendonks ins Rollen bringt, wagt es noch vom Eigentlichen zu sprechen. Sie sagt, dass Künstler in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg das bevorstehende Unheil unterschwellig gespürt haben und das auch in ihre Malerei haben einfließen lassen. Sie sei stutzig geworden, weil von alldem in dem Bild „Rotes Bild mit Pferden“ nichts zu spüren sei.
Kunst ist mehr als Technik und der Typ gehört in seiner unbelehrbaren Arroganz in die Verbannung und alle Blender, die das ermöglicht haben dazu.