Die Kunst des Boris Lurie
April 2016
Keine Kompromisse! – Die Kunst des Boris Lurie
Normalerweise brauche ich nach so viel Kunst wie in den letzten Wochen – Besuch des Salon du Dessin, der Messe Drawing Now in Paris, der Vernissage der Art Cologne, der Vernissage der Museumsausstellung „Ich sehe was, was du nicht siehst“ von Cornelia Schleime im Museum van Bommel van Dam in Venlo, die Vernissage in der eigenen Galerie etc. – am ersten freien Sonntag nach längerer Zeit etwas anderes als Kunst. Aber der Artikel über die Ausstellung mit Arbeiten von Boris Lurie im Jüdischen Museum Berlin, der seit längerer Zeit auf meinem Schreibtisch liegt, macht mich so neugierig, dass ich tatsächlich ins Museum gehe.
„Keine Kompromisse!“ lautet der Ausstellungstitel, der mir schon im Vorfeld zu denken gibt. Kunst und Kompromisse das geht ja eigentlich auch überhaupt nicht zusammen. Werden heute in der Kunstwelt nicht viel zu viele Kompromisse gemacht, um dem Markt zu gefallen und um sich auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten bemerkbar zu machen?
Wenn mir schon dieser ständige Zwiespalt zwischen Kunst und ihrer Kommerzialisierung zu schaffen macht, wie muss es erst Boris Lurie ergangen sein? Wie sehr muss der ehemalige KZ-Häftling, dessen Mutter, Schwester und Geliebte ermordet wurden, gelitten haben unter der verlogenen Moral seiner neuen amerikanischen Heimat? Mit der Gründung der NO!art Bewegung mit einigen Künstlerfreunden versuchte Burie, der Konsumwelt, die sich auch in der Kunstwelt spiegelte, etwas entgegenzusetzen, den konsequenten Selbstausdruck. Historische Fotografien aus KZs mit Leichenbergen collagierte er mit amerikanischen Pinups. Wie stark muss er den Widerspruch zwischen dem, was er erlebt hatte und der satten Oberflächlichkeit, die er in der amerikanischen Gesellschaft antraf, empfunden haben, dass er diese beiden Welten so brutal aufeinander stoßen lässt? Ich bin lange nicht so beeindruckt gewesen von einer Ausstellung, habe lange keine so kompromisslose Kunst gesehen. „Kunst als Dollarbefriedigungssystem“ wird Burie an den Museumswänden zitiert. Diese Gefahr schwebt auch über 50 Jahre später mehr denn je über der Kunst. Es geht auch anders, wenn ein Künstler nur couragiert genug ist, und wir wollen uns nicht wünschen, dass man dafür erst so grausame Erfahrungen gemacht haben muss. Wie gut, diese Ausstellung gesehen zu haben.
Christiane Bühling