SEHN-SUCHT
Malerei /Painting
7. September – 19. Oktober 2019/September 7 – October 19, 2019
Vernissage: Freitag, 6. September 2019, 19-21 Uhr/Opening: Friday, September 6, 2019, 7-9 pm

Said Baalbaki, Sisyphos/Kohle II (Detail), 2019, Öl auf Leinwand/oil on canvas, 27 x 21 cm

In unserer 3. Ausstellung mit dem Deutsch-Libanesen Said Baalbaki kehrt der Künstler ganz zurück zur Malerei. Baalbaki, der neben seinem malerischen Schaffen groß angelegte konzeptionelle Rechercheprojekte realisiert, widmete sich in den letzten fünf Jahren seinem „Jussuf-Abbo-Projekt“, der Rekonstruktion des Lebens und Werkes des palästinensisch-jüdischen Bildhauers, der in den 1920er Jahren in Berlin lebte. Nun verspürte er, legt man die Etymologie des mittelhochdeutschen Wortes „sensuht“ zugrunde, ein „schmerzliches Verlangen“, wieder mit Ölfarbe und Leinwand selbst schöpferisch tätig zu werden. Im Atelier stieß er u. a. auf ein altes Kohlebild; er nimmt dieses Motiv nun wieder auf und setzt es in neue malerische Kontexte.

Allen Bildthemen liegen unterschiedlichste Beziehungsgeflechte zugrunde: kunsthistorische, politische und persönliche. In dem Bild „Sisyphos“, trägt der Kohleträger die Kohle in einem erweiterten Kopftuch auf dem Rücken. Baalbaki verbindet hier eine seiner ersten Wahrnehmungen nach seiner Ankunft in Berlin, den Geruch nach Kohle, mit der Kindheitserinnerung an Bauarbeiter, die so ihr Material transportierten. Universal ist dabei die Frage nach Sinn und Sinnlosigkeit des alltäglichen Lebens, aber auch des künstlerischen Schaffens. Folgt man der Auslegung des Sisyphos-Mythos von Camus, ist der Maler ein glücklicher Mensch, der im Annehmen des täglichen Kampfes seine Freiheit erkennt und nicht seine Strafe. Angeregt durch den Kupferstich „Die Imker“ von Pieter Bruegel (d. Ä.), interessiert sich Baalbaki einerseits für Form, Farbe und Haptik des Bienenkorbs, der ihn an Lehmhäuser seiner Heimat erinnert, andererseits gewinnt er dieser Figur kritische Aspekte ab. Für Baalbaki sind sowohl der Imker als auch das Bienenvolk Metaphern, mit denen er gesellschaftliche und historische Strukturen seiner Heimat und Wahlheimat hinterfragt. Doch bei allen sozialkritischen Anspielungen, die seiner Malerei immanent sind, ist das eigentliche Ziel, ein gutes Bild zu malen. Dazu macht sich der Künstler als selbstbestimmter Sisyphos jeden Tag im Atelier erneut auf, angetrieben von einer Sehn-Sucht, die letztlich nicht gestillt werden kann.
Geboren 1974 in Beirut, lebt und arbeitet seit 2002 in Berlin; 1994-1998 Studium der Malerei am Institut des Beaux-Arts Beirut; 2000-2001 Sommerakademie bei Marwan in Amman, Jordanien; 2002-2005 Universität der Künste (UdK) Berlin; 2006-2008 Studium an der UdK, Institut für Kunst im Kontext; Sammlungen u. a.: Kunstsammlung Deutscher Bundestag, Berlin; Sammlung Till Richter Museum, Buggenhagen; British Museum, London; Fondation Louis Vuitton, Paris; Barjeel Art Foundation, Sharjah, Vereinigte Arabische Emirate; Collection Solidere, Sursock Museum und Saradar Collection, Beirut.