Lorcan O’Byrne
Dezember 2014
Lorcan O’Byrne
Immer wieder bin ich beruhigt, dass ich mit meiner antiquiert wirkenden Kunstauffassung nicht allein da stehe. Im Tagesspiegel vom 7.Dezember wird der Sänger Thomas Quasthoff von Wolfgang Prosinger gefragt, ob die heutige Sängergeneration anders sei als früher. „Es fehlt oft an Mut zur Emotionalität. Das ist ja nicht einfach, weil es mit Loslassen zu tun hat, mit sich trauen….“ Das kann man natürlich genauso auf die Bildende Kunst und die Literatur übertragen. Wer Schubert-Lieder interpretiert, kann nicht vom Konzept-Geist getrieben werden, er muss auch von seiner eigenen Seele geben.
Er spricht offensichtlich mit denselben Gedanken über die Musikbranche wie Cornelia Schleime es vor einigen Tagen in einem Telefongespräch über die Kunstbranche getan hat.
Nach einem Atelierbesuch, der mich nachhaltig beschäftigt und berührt, muss ich ebenfalls an Cornelias Worte denken. Sie ereiferte sich vor einer Weile in einer Diskussion über die Besonderheit von Künstlergesichtern, die Spuren vom Leben aufweisen müssten. Heute habe ich das Bild dafür: Ein rundes Gesicht mit blitzenden schalkbesessenen Augen, eine dicke Knollennase, deren vordere Rundung blau gefärbt ist, ein tiefes Lachen und eine kleine Wampe. Im Atelier ist es kalt, wir lassen die Mäntel an. Wie mag er bei diesen Temperaturen malen, fragt man sich. Er fragt sich das mit Sicherheit nicht, ihm wird warm, wenn er im Kampf mit der Malerei steht, um Farbe und Form ringt, um das Erfassen von Licht und Schatten.
Mit Sicherheit besitzt er auch keine Mitte-Schnabelschuhe, wenn er zur Vernissagen geht. Er sieht aus, als hätte er nur dieses Paar ausgetretener breiter Schuhe fern jeglicher Mode. Erstaunlich, was es für Künstler in den Nischen gibt, die sich fern des Champagnerbades halten, nicht im Strom schwimmen, sondern einen prallen Nebenarm mit klarem Wasser befüllen. Seine Bildgegenstände findet er nicht im Computer, sondern sie stehen hier im Atelier, oll und verrumpelt: Die alte Kommode aus den 50er Jahren, die mal weiß war, der vergilbte Lampenschirm, der uralte Kühlschrank, der schon lange nicht mehr als solcher funktioniert. In seinen Bildern kombiniert er sie mit seinem schwarzen Laptop, in dieser Begegnung auf der Leinwand ist er zum einen Fremdkörper, zum anderen scheint die Patina der Kommode ihm einen Hauch von Wärme und Häuslichkeit einzuhauchen. Voller Selbstironie nimmt er sich selbst auf die Schippe, aber seiner Malerei begegnet er mit hohem Respekt und großer Ernsthaftigkeit. Hier in seinem Atelier allein mit sich und den Kartons, die er gerade malt, trifft man einen Künstler und Menschen, der sich nicht angepasst hat.
Einer, der mit Sicherheit kein Veganer ist und dessen Nasenfarbe wohl nicht von zu viel Blaubeerenkonsum stammt. Lorcan O’Byrne, eine Entdeckung als Maler und Künstlerpersönlichkeit.