In Memoriam Michael Schultz (*4.11.51 – † 28.12.2021)
Januar 2022
Mein persönlicher Nachruf auf die gemeinsame Galeriezeit mit Michael
Im Frühsommer 1989 lernte ich Michael im Rahmen einer Kooperation kennen. Damals war ich Assistentin eines Europaabgeordneten und wir organisierten gemeinsam eine Ausstellung Berliner Bildhauer* im Straßburger Parlament. Im Rückblick erscheint es mir, als seien die Rollen hier bereits unbewusst angelegt gewesen. Der Visionär plante riesige Skulpturen nach Straßburg zu verbringen, um nachdem er 1988 das Internationale Bildhauersymposium Berlin E 88 auf dem Areal zwischen Neuer Nationalgalerie und Philharmonie organisiert hatte, ein weiteres Zeichen in Richtung Europa zu setzen. Ich war sofort Feuer und Flamme, begann zu überzeugen, zu organisieren, Finanzmittel zu lockern und die Fäden zusammenzuhalten. Im Herbst 1989 entschloss ich mich für den Sprung ins kalte Wasser, was sich später in eine sprudelnde Quelle (nicht primär pekuniär gemeint) für uns und mich verwandeln sollte. Ich begann meine Zusammenarbeit mit Michael in der 1986 von ihm gegründeten Galerie Michael Schultz. An dieser Stelle einmal klar: Wir haben zunächst miteinander gearbeitet, ohne eine Liebesbeziehung zu haben. Erst später haben wir Leben und Beruf miteinander geteilt. Nach zahlreichen großen Erfolgen und viele Jahre später gingen unsere Lebensauffassungen zu sehr auseinander und wir haben wie zu Beginn nur die Galerie miteinander geteilt. Langfristig hat dies leider nicht funktioniert, so dass ich Ende 2010 nach über 20 Jahren gemeinsamer Zeit schrittweise aus dem Unternehmen ausgeschieden bin.
Die Erinnerungen und gemeinsamen Erlebnisse mit allen Höhen und Tiefen füllten ein ganzes Buch. Die Zeit wird es zeigen, was hierzu aufs Papier kommt. Du warst der Macher, der unglaublich Mutige, der Unerschrockene, der ein schier unglaubliches Energiepotenzial hatte. Wir begannen mit Messen in Paris, wo wir voller Enthusiasmus um den Verkauf jeder meist selbst verlegter Grafik für 1500 FF gekämpft haben. Natürlich warst Du der bessere Verkäufer als ich. Du konntest den Menschen mit Charme und Humor das Gefühl vermitteln, sie würden einen großen Fehler begehen, wenn sie eine bestimmte Arbeit nicht erwerben würden. Später hast Du auf Messen vieler Kontinente gestanden, in Miami, New York, Seoul, Hongkong u.a. Auf vielen dieser Messen war ich nicht dabei, habe währenddessen die Basis in Berlin gemanagt. Nur die ARCO in Madrid habe ich mir meist nicht nehmen lassen, sie war für mich die schönste und lebendigste Messe. Du hast Spanier und Portugiesen in Deinen Bann gezogen, von denen heute noch viele sehr gute Freunde sind. Anfang der 90er Jahre gab es nur sehr wenige deutsche Galerien dort, es zeigte sich der Dir eigene Spürgeist, denn über die Jahre wurde diese Messe international immer begehrter. Mit der Messeteilnahme und der späteren Dependance in Seoul verhält es sich ebenso. Während andere noch Serrano und Manchego aßen, probiertest Du schon Kimchi.
Menschen, die in ihrem Leben noch nie Kunst gekauft hatten, konntest Du mit Chuzpe ihr erstes Bild vermitteln, sie infizieren mit dem Kunstvirus. Einige Privatsammlungen sind so ins Leben gerufen worden. Doch auch die, die bereits ein Lager voller Kunst besaßen, konntest Du von Neuentdeckungen überzeugen, Geschichten, Mythen gehörten immer dazu.
Bereits 1990 nach einem Jahr des gemeinsamen Einsatzes für die Kunst, hast Du mir die Galeriepartnerschaft angeboten. Damals fühlte ich mich noch nicht reif genug dafür, Du hast es mir bereits zugetraut. Ich ließ mir noch etwas Zeit für die Teilhaberschaft und blieb auch mit ihr meist im Hintergrund. Du warst der Patriarch. Viele Jahre später hast Du es so formuliert: Ich bin der Außenminister, Du der Innenminister. Insbesondere in den letzten Jahren unserer gemeinsamen Zeit warst Du unentwegt auf Reisen, Messen, Geschäfte, Ausstellungen in aller Welt, Dependancen. Ich betreute das Mutterhaus, in dem alle internationalen Fäden zusammengeführt werden mussten. Am Anfang unserer Zeit hattest Du ein anderes Bild für unsere Rollenaufteilung: „Ich sammle überall ein, werfe in einen Korb. Du sortierst, lässt entweder durchs Sieb fallen oder setzt es um.“ Erfolgreiche Männer brauchen ein Korrektiv, das ich wohl gewesen bin.
Zu unser beider großen Bedauern haben wir es nicht geschafft, dauerhaft miteinander die Galerie zu führen und für die Kunst zu streiten. Bei Deinem großen Fest zum 30jährigen Galeriebestehen im Jahr 2016 hast Du es öffentlich benannt, wie schade es sei. Zu meinem 30jährigen Jubiläum 2019 warst Du gerade ins Straucheln geraten. Ich begann meine Rede in meiner Jubiläumsausstellung unter Augen und Ohren einer kleineren Öffentlichkeit mit den Worten: „Ohne Michael stände ich heute nicht hier.“
Die vielen, vielen wunderbaren Künstler* dieser gemeinsamen Zeit mögen es mir verzeihen, dass ich sie nicht namentlich nenne. Ich hätte Angst, einen zu vergessen. Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen und sie gehören alle mit in diese Ära. Dasselbe gilt für die Sammler* und Kunstaffinen aus aller Welt. Wir waren für viele Jahre wie eine Familie, die sich bei Festen und nach Vernissagen um große Tische versammelten.
Vielleicht ruhst Du jetzt in Frieden, vielleicht initiiert Deine Kreativität und Kraft neue Ausstellungsorte im Universum.
Mein Korb bleibt prall gefüllt mit vielen außergewöhnlichen Erinnerungen.
Christiane